10.06.2016

Firmen im Kaufrausch

Autokonzerne auf der Überholspur

Corporate Finance

Fusionen und Übernahmen mit deutscher Beteiligung sind auf Rekordkurs: Unternehmen planen Deals für 104 Mrd. € – nur einmal waren es mehr.

Seit der Finanzkrise regierte in Deutschlands Chefetagen die Verzagtheit. Trotz rekordhoher Bargeldbestände und sprudelnder Gewinne haben sich Dax-Unternehmen kaum an grenzüberschreitende Großübernahmen herangetraut. Doch aus Verzagtheit wird nun Kühnheit. Deutsche Topmanager wagen mit riesigen Zukäufen im Ausland die Flucht nach vorn – und bringen dadurch andere Manager unter Zugzwang. Für Konzerne, sagen Experten, gebe es keine Alternative, als durch Fusionen und Übernahmen an der Konsolidierung teilzunehmen.

Den Anfang machten Werner Baumann und Carsten Kengeter, die mit internationalen Megadeals den Chemie- und Pharmariesen Bayer sowie die Deutsche Börse an der Weltspitze etablieren wollen. Ihre Expansion durch die geplante Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto und der Londoner Börse lassen sie sich zusammen fast 68 Mrd. € kosten.

Chancen für ein neues Rekordvolumen stehen gut

Doch nach Ansicht der Investmentbanker, die üblicherweise gute Einblicke in die Pläne von Unternehmen haben, ist das nur der Anfang. „Es bestehen gute Chancen für ein neues Rekordvolumen in diesem Jahr. Wir werden in den kommenden Monaten weitere Milliardendeals sehen“, erwartet Armin von Falkenhayn, der mit der Bank of America Merrill Lynch bei beiden Megatransaktionen als führender Berater mit dabei ist.

Bereits heute liegt der Wert der Deals mit deutscher Beteiligung bei rund 104 Mrd. €, rechnete der Finanzdatenanbieter Dealogic für das Handelsblatt aus. Im Vorjahr war es gerade einmal ein Viertel davon. Nur vor der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers 2008 wurden mit rund 164 Mrd. € mehr Fusionen und Übernahmen eingefädelt.

Fürchteten sich Deutschlands Topmanager Anfang des Jahres noch vor einer Abkühlung in China und dem schwächelnden Ölpreis, sehen sie heute wieder mehr Chancen als Risiken. Denn die Schreckensszenarien haben sich nicht bewahrheitet, an den Märkten ist die Zuversicht zurückgekehrt: Der Dax notiert wieder über der Marke von 10.000 Punkten, und der Preis für ein Fass Rohöl hat sich auf 50 USD fast verdoppelt.

EZB und chinesische Firmen sogen zusätzlich für Aktivität

Angeheizt werden die Käufe auch durch die Europäische Zentralbank. Sie wird in dieser Woche erstmals Unternehmensanleihen kaufen. Das drückt die Zinsen für die Anleihen. Unternehmen können sich günstiger Geld besorgen, was die Finanzierung von Übernahmen auf Pump noch reizvoller macht.

Verstärkt wird der Handlungsdruck für deutsche Konzerne durch die Shoppingtour chinesischer Firmen. Sie suchen Spitzenunternehmen wie den Roboterhersteller Kuka, wo der Haushaltsgerätekonzern Midea einen stolzen Preis bezahlen will. In diesem Jahr gab es in Europa schon sieben Deals mit chinesischer Beteiligung, die über einer Milliarde Euro lagen. „Es könnten bis Ende des Jahres mindestens noch einmal so viele werden“, meint Dirk Albersmeier von JP Morgan. Selbst die Übernahme eines Dax-Unternehmens sei theoretisch denkbar.

Günstiges Fremdkapital erleichtert Finanzierung

Befeuert wird der Boom bei Fusionen und Übernahmen mit deutscher Beteiligung auch durch extrem günstiges Fremdkapital. Brückenfinanzierungen stellen kein Problem dar, wie das Beispiel Bayer zeigt. Nach Informationen aus Finanzkreisen haben sich die Leverkusener bei den fünf Banken Bank of America, Credit Suisse, HSBC, JP Morgan und Goldman Sachs in Windeseile eine Summe von rund 60 Mrd. € gesichert. Doch Bayer-Vorstandschef Werner Baumann hat selbst dafür vorgesorgt, falls er sein Angebot von 122 USD je Aktie für Monsanto aufstocken muss. Die Banken sind bereit, den kurzfristigen Brückenkredit auf bis zu 75 Mrd. € auszuweiten.

Auch die später folgende Finanzierung über Anleihen dürfte problemlos machbar sein. „Für Unternehmen mit guter Bonität, auch Investmentgrade genannt, ist die Finanzierung von Übernahmen zu historisch niedrigen Konditionen quasi unlimitiert möglich“, beobachtet Rothschild-Banker Kai Tschöke. Die Fremdfinanzierungskosten sind derzeit so niedrig, dass die gekauften Unternehmen sie problemlos erwirtschaften können. Ohnehin ist „das Aufkaufprogramm der EZB quasi eine Versicherung für die Konzerne bei den Anleihen zur Übernahmefinanzierung, die nichts kostet“. Die Bonds werden ihnen in jedem Fall abgenommen.

Auch die Finanzinvestoren mischen kräftig mit

Nicht nur bei den Industriekonzernen ist der Appetit auf Übernahmen zurückgekommen, auch die Finanzinvestoren haben Hunger. So setzte sich der schwedische Finanzinvestor EQT bei der Auktion des Bau- und Immobiliengeschäfts von Bilfinger mit einem Kaufpreis von 1,2 Mrd. € durch. „Es wird nicht der letzte Milliardendeal durch Private Equity bleiben, die Pipeline sieht gut aus, übrigens auch im Mittelstand“, sagt Sven Baumann, Investmentbanker bei der US-Großbank Citi in Frankfurt. Die Finanzinvestoren sitzen weltweit auf schätzungsweise einer Billion Dollar.

(Quelle: Handelsblatt vom 06.06.2016)


Redaktion

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