• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Insolvenzen in Deutschland: Der Schein trügt, mehr Pleiten in der Pipeline

19.05.2021

Insolvenzen in Deutschland: Der Schein trügt, mehr Pleiten in der Pipeline

Autokonzerne auf der Überholspur

© Isleif Heidrikson/fotolia.com

In Deutschland ist die Zahl der Insolvenzen im vergangenen Jahr trotz der schwersten Rezession seit 2009 deutlich gesunken. Eine Auswertung des Kreditversicherers Coface zeigt: Dieser Rückgang betrifft nicht alle Branchen und Bundesländer gleichermaßen und den rückläufigen Insolvenzzahlen steht ein massiver Anstieg von Forderungen gegenüber. Darüber hinaus stecken noch bis zu 4.030 Pleiten in der Pipeline.

Im Jahr 2020 wurden in Deutschland 15.840 Unternehmen zahlungsunfähig. Auch dank massiver staatlicher Unterstützung ist das der niedrigste Stand seit 1993 und der stärkste Rückgang (-15,5% gegenüber 2019) seit 1975. Doch nicht jede Branche oder Region profitierte von dieser Situation. Denn um Corona-Hilfen zu erhalten, mussten Unternehmen nachweisen, dass ihr Geschäftsmodell vor der Pandemie, also im Dezember 2019, funktionierte. Sowohl die Metall- als auch die Automobilbranche befanden sich jedoch seit Ende 2018 in der Rezession. Dadurch erfüllten einige Unternehmen diese Kriterien nicht und erhielten keine staatliche Unterstützung, erklären die Studienautoren. Folglich stiegen die Insolvenzen im Metallsektor im vergangenen Jahr um 7,1%, der Anstieg im Automobilsektor betrug 31,6%.

Mehr Insolvenzen in Bremen – auch in „Autoländern“ stottert der Motor

Unterschiede waren laut der Analyse auch innerhalb der Bundesländer zu beobachten. Fast alle Länder meldeten einen Rückgang der Insolvenzen – mit Ausnahme des Stadtstaats Bremen. Dort stieg die Zahl der Unternehmenspleiten um 8% gegenüber 2019, was vor allem auf die Bereiche Unternehmensdienstleistungen, Verarbeitendes Gewerbe und Transport zurückzuführen ist. Unter dem Bundesdurchschnitt lagen die Rückgänge auch in Hessen (-8,4%) und den beiden „Autoländern“ Baden-Württemberg und Niedersachsen mit jeweils -11,9%.

Insolvenzforderungen auf Höchststand seit 2009

Man könnte also meinen, dass Deutschland im Hinblick auf Unternehmenspleiten sehr gut dasteht. Doch der Schein trügt, denn die reine Zahl gibt keine Auskunft über den wirtschaftlichen Schaden, warnen die Studienautoren. So schätzt das Statistische Bundesamt, dass sich die zu erwartenden Forderungen aus Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2020 auf 44,1 Mrd. € summieren. Das wäre der höchste Stand seit 2009 und im Vergleich zu 2019 eine Steigerung um 65%. Einige Sektoren stechen bei diesem Vergleich hervor, insbesondere die Informations- und Kommunikationsbranche. Sie meldete einen Anstieg um 2.767% im Vergleich zum Vorjahr, so die Studienautoren. Das komme auf den ersten Blick einigermaßen überraschend, sei allerdings mit der Pleite des Abrechnungsdienstleisters AVP zu erklären, der mit vielen Apotheken zusammengearbeitet hat. Am anderen Ende des Spektrums stiegen die Schäden im Baugewerbe nur um 7%, im Transportwesen gingen sie gar um 84% zurück.

Bis zu 4.030 Pleiten in der Pipeline

Viele Unternehmen haben nach den Wirtschaftskrisen 2002 und 2009 mehr Eigenkapital aufgebaut und gingen dadurch stabiler in die aktuelle Krise. Aber irgendwann sind diese Reserven aufgebraucht. Für viele wird der aktuelle Lockdown zu lange andauern, sie werden es nicht schaffen, warnen die Studienautoren. Darauf deute auch die Zahl der Anmeldungen für ein Regelinsolvenzverfahren hin. Seit April 2020 war sie rückläufig, der Trend änderte sich im Oktober 2020. Seitdem steigen die Zahlen – mit einer Ausnahme im Januar 2021 – wieder. Im Februar 2021 registrierte das Statistische Bundesamt 30% mehr Insolvenzanträge als im Vormonat, im März wurde mit +37% der höchste Stand seit März 2017 erreicht. Im April gingen die neuen Anträge etwas zurück, bleiben aber auf hohem Niveau. Laut einer Simulation von Coface hätten die Gesamtinsolvenzen im Jahr 2020 auf Grundlage des Konjunktureinbruchs um 6% gegenüber 2019 ansteigen müssen. In der Realität sind sie um 15,5% gesunken. Daher könnte ein Anteil von bis zu 21,5% (bzw. 4.030 Insolvenzen) in der Pipeline stecken und sich 2021 und 2022 materialisieren. Das Gros dürfte aus dem Gastgewerbe kommen, wo der Kreditversicherer bis zu 660 „versteckte“ Insolvenzen erwartet, gefolgt von Transport und Bau mit jeweils bis zu 420, dem Verarbeitenden Gewerbe (230) und dem Einzelhandel (190).

(Pressemitteilung Coface Deutschland vom 19.05.2021)


Redaktion

Weitere Meldungen


Idee, Glühbirne, Forschung, Entwicklung
Meldung

©ra2 studio/fotolia.com

18.04.2024

US-Konzerne erhöhen Forschungsausgaben

Trotz stagnierender Umsätze und sinkender Gewinne: Die innovativsten Top-Konzerne der Welt investieren weiterhin stark in Forschung und Entwicklung (F&E). So sind die Forschungs- und Entwicklungsbudgets der 500 Unternehmen weltweit mit den höchsten F&E-Ausgaben im Jahr 2023 um insgesamt 12 % gestiegen – obwohl der Umsatz nur um 2 % zulegte und der Gesamtgewinn sogar um 9 % schrumpfte.

US-Konzerne erhöhen Forschungsausgaben
Investition, Geld, Investor, Vermögen, Kapital
Meldung

pitinan/123rf.com

18.04.2024

Unternehmen planen weniger Investitionen für 2024

Die Unternehmen in Deutschland haben ihre Investitionsvorhaben für das laufende Jahr nach unten korrigiert. Die ifo Investitionserwartungen fielen auf -0,1 Punkte im März, nach +1,2 Punkten im November. „Die globale Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern bleibt schwach und wirtschaftspolitische Unsicherheiten bestehen weiter. Viele Unternehmen verschieben daher ihre Investitionsentscheidungen“, sagt Lara Zarges, Konjunkturexpertin am ifo Institut.

Unternehmen planen weniger Investitionen für 2024
Europa, Europaflagge, EU, Parlament, Kommission
Meldung

©Grecaud Paul/fotolia.com

17.04.2024

EU-Binnenmarkt ist der wichtigste Auslandsmarkt

Der europäische Binnenmarkt besitzt für die mittelständischen Industrieunternehmen sowohl als Beschaffungs- als auch Absatzmarkt von allen Auslandsmärkten die höchste Relevanz, gefolgt von den Märkten in den anderen europäischen Ländern und in China. Dies zeigte in 2023 eine IfM-Befragung von über 1.800 Führungskräften im industriellen Mittelstand. EU-Binnenmarkt bietet viele Vorteile Die Unternehmen profitieren sowohl von der

EU-Binnenmarkt ist der wichtigste Auslandsmarkt
CORPORATE FINANCE - Die Erfolgsformel für Finanzprofis

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank