19.10.2018

M&A: Boom hält an – aber wie lange noch?

Autokonzerne auf der Überholspur

© pichetw/fotolia.com

Trotz einer leichten Beruhigung im Sommer hat sich der deutsche M&A-Markt im dritten Quartal 2018 weiter auf hohem Niveau bewegt. Insgesamt gab es 433 Deals mit Beteiligung deutscher Unternehmen, das Transaktionsvolumen bezifferte sich auf 25,5 Milliarden US-Dollar Die Zahlen sind im Vergleich zu den vorangegangenen Quartalen allerdings rückläufig und zeigen, dass die Luft im Bereich der Mega-Deals etwas dünner wird.
Dennoch ist der deutsche Markt noch immer sehr in Bewegung. „Strategen wie Finanzinvestoren haben Geld, Fremdkapital ist günstig, die Märkte sind stabil, und Anleger fordern mehr als nur organisches Wachstum – das ist ein Cocktail, der trotz der bestehenden geopolitischen Unsicherheiten das M&A-Geschehen antreibt“, sagt Dr. Hartmut Krause, M&A-Partner bei Allen & Overy.
Die aktuellen Ergebnisse der M&A Insights von Allen & Overy belegen aber auch, dass die regulatorischen Hürden zunehmen und kartellrechtliche Eingriffe das Transaktionsgeschehen zuweilen bremsen können. Doch obwohl die Brexit-Auswirkungen noch immer unklar sind und gerade chinesische Investoren aktuell zurückhaltender wirken, bleibt das Umfeld für Akquisitionen und Börsengänge positiv.
Hochtief schließt Abertis-Übernahme ab
Die Sektoren Energie, Hightech, Automotive, Maschinenbau und Pharma haben sich im zurückliegenden Quartal erneut als besonders attraktiv für M&A-Aktivitäten erwiesen. Aktiv ist auch der Banken-Sektor gewesen, der auf zahlreiche Optimierungstransaktionen zurückblicken kann. Im Infrastruktur-Sektor lag ein besonderes Augenmerk auf der lange geplanten Übernahme des spanischen Autobahnbetreibers Abertis durch den deutschen Baukonzern Hochtief, die für einen Kaufpreis von 18,2 Milliarden Euro endlich über die Bühne ging. Nach einer intensiven wettbewerbsrechtlichen Prüfung hatte die EU-Kommission am Ende keine wesentlichen Bedenken.
Finalisiert wurde zudem die Übernahme des Agrargeschäfts der Bayer AG durch den Wettbewerber BASF. Der global operierende Chemiekonzern aus Ludwigshafen lässt sich die Geschäftsanteile satte 7,6 Milliarden Euro kosten. Allerdings hängt der genaue Kaufpreis noch von bestimmten Anpassungen der Transaktion ab.
Ebenfalls an einem Deal mit beträchtlicher Größenordnung war der Chemie- und Pharmakonzern Merck beteiligt. Der US-Riese Procter & Gamble erhielt von der EU-Kommission grünes Licht für den 3,4 Milliarden Euro schweren Erwerb des  Geschäfts der Darmstädter mit rezeptfreien Medikamenten.
Private-Equity-Fonds diversifizieren Portfoliostrategie
Im Private-Equity-Umfeld ist weiterhin sehr viel Geld vorhanden. Doch es fehlt trotz hohen Anlagedrucks an attraktiven Zielen. Passende Targets im PE-Bereich zu finden bleibt schwierig.
Ein prominentes Beispiel dafür war der Verkauf des Caravan-Herstellers Hymer, für den sich gleich mehrere PE-Fonds interessiert hatten. Am Ende kam mit Thor Industries jedoch ein Stratege Hymer zum Zug. „Strategen agieren plötzlich deutlich aggressiver am Markt und rufen bessere Kaufpreise auf, da sie nicht so hohe Renditeerwartungen haben wie PE-Investoren“, verdeutlicht Partner Dr. Nils Koffka, Leiter der deutschen Private-Equity-Praxis.
Viele PEs diversifizieren derzeit ihre Portfoliostrategie und haben inzwischen neben Real Estate- und Infrastruktur-Fonds auch Debt Fonds oder sog. Opportunity Fonds, um auf Distressed M&A-Deals vorbereitet zu sein. Weiterhin trägt Private Equity hohe Investments in Familienunternehmen. Nicht nur in Form von kompletten Übernahmen, sondern auch durch Minderheitsbeteiligungen. „Aktuell gibt es im Markt eine große Bandbreite an Transaktionen, bei denen nicht das gesamte Unternehmen verkauft, sondern ein PE-Investor aus strategischen Gründen mit an Bord genommen wird“, erläutert PE-Experte Nils Koffka.
Einige bedeutende Deals im PE-Umfeld
Obwohl die Marktlage nach wie vor nicht ganz unproblematisch ist, gab es im Private-Equity-Umfeld einige bedeutende Deals. Hervorzuheben ist dabei sicherlich die Übernahme von Teilen des Amerika-Geschäfts von Linde und Praxair durch den Industriegasekonzern Messer und den PE-Investor CVC. Der Kaufpreis beziffert sich auf 3,3 Milliarden US-Dollar, das Joint Venture zwischen CVC und Messer soll den Namen MG Industries tragen.
Die Übernahme des Nürnberger Open-Source-Spezialisten Suse durch den schwedischen Finanzinvestor EQT Partners hatte mit stattlichen 2,5 Milliarden US-Dollar ebenfalls ein großes Volumen. Als Verkäufer fungierte die britische Softwarefirma Micro Focus, der Suse seit 2014 gehört hatte.
Derweil erwarb die Viridium Holding AG 89,9 Prozent der Anteile der Generali Lebensversicherung, einem Teil der Generali Deutschland AG. Das Dealvolumen beläuft sich hier auf 1,9 Milliarden Euro, die Generali Deutschland erhält die Option einer Minderheitsbeteiligung an der Viridium Gruppe.
Verstärkte Einflussnahme der Bundesregierung
Die untersagte Übernahme des Maschinebauers Leifeld durch einen chinesischen Konzern und der verhinderte Einstieg eines chinesischen Investors beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz richtet die Blicke verstärkt auf die Einflussnahme der deutschen Regierung. Die Außenwirtschaftsverordnung soll verschärft werden, damit sogenannte „Schlüsseltechnologien“ besser vor Übernahmen geschützt werden können. Die Bundesministerien stimmen einen Gesetzesentwurf ab, der darauf abzielt, die Schwellenwerte, die das Recht der Regierung auf Einleitung eines Genehmigungsverfahrens auslöst, von 25 auf 10 Prozent zu senken. „Die chinesischen Investoren sind deshalb verunsichert. Experten aus dem Umfeld des Bundeswirtschaftsministeriums erwarten jedoch, dass Interventionen wie bei 50Hertz die Ausnahme bleiben werden“, betont M&A-Partner Hartmut Krause. Zumal es sich längst nicht bei jedem avisierten Deal um kritische Infrastruktur handele.
Da die chinesische Regierung in den kommenden Jahren in bestimmten Sektoren bekanntlich die globale Technologieführerschaft anstrebt, dürften weitere Investitionen auch in Deutschland die logische Folge sein.
Kartellrechtliche Eingriffe können M&A-Geschehen bremsen
Im regulatorischen Bereich spielt auch die kartellrechtliche Prüfung von Transaktionen weiter eine Rolle. Die Behörden greifen verstärkt in den M&A-Markt ein – etwa bei der durch immer weitere Auflagen verzögerten Fusion des Gaseherstellers Linde mit seinem US-Konkurrenten Praxair. An diesem prominenten Beispiel zeigt sich, dass kartellrechtliche Vorgaben das M&A-Geschehen durchaus bremsen können. „Global betrachtet handelt es sich aber lediglich um ein Prozent aller Fusionen und Übernahmen, die unter Auflagen gestellt werden oder bei denen eine vertiefende Prüfung notwendig wird“, gibt M&A-Experte Hartmut Krause zu bedenken.
Brexit-Auswirkungen nach wie vor unklar
Inwieweit der immer näher rückende Brexit die M&A-Aktivitäten beeinflussen wird bleibt abzuwarten. Solange nicht endgültig feststeht, dass es im Frühjahr 2019 zu einem harten Brexit kommt, bleibt vieles Spekulation. Zwischenzeitlich könnte eine Lähmung des M&A-Geschehens drohen. Deshalb fangen auch die PE-Fonds damit an, sich aus London zurückzuziehen. „Viele PE-Fonds verlegen ihre Strukturen zunehmend nach Luxemburg und bauen ihre Fonds dort signifikant auf, um für den immer wahrscheinlicher werdenden Fall eines harten Brexits gewappnet zu sein“, schildert Nils Koffka.
Weiterhin attraktiv ist für deutsche Unternehmen dagegen der US-Markt. „Präsident Donald Trump wirkt mit seinen unberechenbaren Entscheidungen zwar durchaus disruptiv, das M&A-Geschehen in den USA zeigt sich davon aber überwiegend unbeeindruckt“, unterstreicht Hartmut Krause.
Ausblick
Bislang konnte weder die von nationalen und internationalen Spannungen geprägte US-Politik noch die Unklarheit über die Folgen des Brexits den M&A-Aktivitäten in Deutschland etwas anhaben. Die anhaltende Niedrigzinsphase und die hohe Liquidität der Unternehmen erleichtern Transaktionen, im Kern bleiben die Rahmenbedingungen gut. Dennoch dürfen geopolitische und regulatorische Risiken sowie eine näher rückende Zinswende nicht völlig außer Acht gelassen werden.
Allen Ungereimtheiten zum Trotz ist die Stimmung unter den Unternehmern positiv – und auch die Aktionäre sind weiter sehr offen für Übernahmen und Fusionen. „Es gibt bislang keine Faktoren, die eine abrupte Änderung der Lage erwarten ließen“, blickt Hartmut Krause optimistisch voraus. Zumal für das letzte Quartal des Jahres 2018 bereits einige weitere große Abspaltungen in der Pipeline sind.
(Pressemitteilung Allen & Overy vom 16.10.2018)

Redaktion

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