23.05.2017

Standort Deutschland im Aufwind

Autokonzerne auf der Überholspur

In einer weltweiten Befragung von 505 Unternehmen nannten 20 Prozent Deutschland als einen von drei Top-Investitionsstandorten weltweit. Vor Deutschland können sich nur China und die USA platzieren.

In einer weltweiten Befragung von 505 Unternehmen nannten 20 Prozent Deutschland als einen von drei Top-Investitionsstandorten weltweit. Vor Deutschland können sich nur China und die USA platzieren.

Deutschland bleibt für ausländische Unternehmen die Top-Adresse in Europa: In einer weltweiten Befragung von 505 Unternehmen nannten 20 Prozent Deutschland als einen von drei Top-Investitionsstandorten weltweit. Vor Deutschland können sich im internationalen Standortranking nur China (37 Prozent) und die USA (33 Prozent) platzieren. Großbritannien und Frankreich belegen gemeinsam mit sieben Prozent der Nennungen den siebten Platz.

Bei der Zahl der tatsächlich von ausländischen Unternehmen durchgeführten Investitionen hatte hingegen Großbritannien im vergangenen Jahr die Nase vorn – trotz Brexit-Votum im Juni: Die Zahl der Investitionsprojekte in Großbritannien stieg um sieben Prozent auf 1.144, während in Deutschland ein Anstieg um 12 Prozent auf 1.063 zu verzeichnen war. In beiden Ländern erreichte die Zahl der ausländischen Investitionen damit ein neues Rekordniveau.

Auch bei der Zahl der geschaffenen Arbeitsplätze liegt Großbritannien mit insgesamt gut 43.000 neuen Stellen europaweit vor Polen (gut 22.000) und Deutschland (knapp 20.000).

Der Investitionsstandort Großbritannien profitiert vor allem von der Investitionsbereitschaft amerikanischer Unternehmen, die traditionell Großbritannien als europäisches Investitionsziel bevorzugen: 31 Prozent der Investitionen in Großbritannien gehen auf das Konto von US-Unternehmen – in Deutschland nur 18 Prozent.

Für den Rest der Welt ist hingegen Deutschland das Top-Investitionsziel in Europa: Wenn US-Unternehmen als Investoren nicht berücksichtigt werden, kommt Deutschland im Jahr 2016 auf 869 Investitionsprojekte (15 Prozent mehr als im Vorjahr) und liegt damit vor Großbritannien mit 788 Investitionen (plus acht Prozent).

Deutsche Unternehmen spielen eine wichtige Rolle bei der Erholung des europäischen Arbeitsmarkts: Fast 48.000 neue Arbeitsplätze wurden im vergangenen Jahr von deutschen Unternehmen bei ihren Investitionsprojekten im europäischen Ausland geschaffen – umgekehrt haben Investitionen europäischer Unternehmen gerade einmal zu 8.000 neuen Stellen in Deutschland geführt.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) zur Attraktivität des Wirtschaftsraums Europa und zu tatsächlichen Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa.

„Das vergangene Jahr könnte einen Wendepunkt markieren: Großbritannien konnte zwar die Position als Top-Investitionsstandort Europas verteidigen, die Verfolger – vor allem Deutschland und Frankreich – kommen aber immer näher“, stellt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY in Deutschland, fest. „Das Brexit-Votum vom Juni 2016 kann sich, wenn überhaupt, erst in der zweiten Jahreshälfte ausgewirkt haben. Zudem kam die Entscheidung für die meisten Unternehmen überraschend, und erst im Lauf der vergangenen Monate hat sich herauskristallisiert, dass Großbritannien einen harten Brexit anstrebt – mit entsprechend negativen Folgen für die Handelsbeziehungen. Darauf werden sich die Unternehmen nun einstellen. Es spricht daher viel dafür, dass Deutschland in diesem Jahr Großbritannien als Top-Investitionsziel Europas ablösen wird“.

Die Anzahl der Investitionsprojekte am Standort Großbritannien ist zwar um sieben Prozent auf 1.144 Projekte gestiegen, jedoch lag die Steigerungsrate im Vorjahr mit zwanzig Prozent noch deutlich höher. Bei den neu geschaffenen Arbeitsplätzen ging die Wachstumsrate sogar von 35 auf zwei Prozent zurück. Zum Vergleich: In Deutschland stieg die Zahl der Investitionsprojekte im vergangenen Jahr um 12 Prozent, in Frankreich – nach einer längeren Durststrecke – sogar um 30 Prozent.

Deutschland mit bestem Image in Europa

Während Großbritannien bei der Zahl der von ausländischen Investoren durchgeführten Projekte noch knapp vor Deutschland liegt, hat die Bundesrepublik beim Image Großbritannien längst abgehängt: In einer weltweiten Befragung, die im März dieses Jahres durchgeführt wurde, bezeichnete jeder fünfte Manager Deutschland als einen der drei attraktivsten Investitionsstandorte der Welt – im Vergleich zur Vorgängerbefragung im Jahr 2015 entspricht das einem Rückgang um einen Prozentpunkt. Vor Deutschland können sich nur China (37 Prozent, minus ein Prozentpunkt) und die Vereinigten Staaten (33 Prozent, minus zwei Prozentpunkte) platzieren – zwei Länder, an denen schon aufgrund ihrer Größe und ihrer Bedeutung als Absatzmarkt für international agierende Unternehmen kein Weg vorbeiführt. Nur sieben Prozent der Befragten hingegen bezeichnen Großbritannien (minus zwei Prozentpunkte) und Frankreich (plus ein Prozentpunkt) als weltweiten Top-Standort.

Bernhard Lorentz, Leiter des Bereichs Government & Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich: „Deutschland hat sich trotz der politischen und wirtschaftlichen Probleme Europas als einer der attraktivsten Standorte der Welt etabliert – deutsche Unternehmen sind auf den Weltmärkten höchst erfolgreich, und Produkte „Made in Germany“ genießen einen hervorragenden Ruf. Investoren schätzen an Deutschland neben gut ausgebildeten Arbeitskräften vor allem die politische, soziale und rechtliche Sicherheit – diese scheinbar weichen Standortfaktoren werden angesichts des zunehmenden Populismus in Europa ein immer wichtigerer Faktor im Standortwettbewerb. Sie sind in unruhigen Zeiten ein hohes Gut.“

Deutsche Investitionen in Europa stark gestiegen

Der aktuelle wirtschaftliche Erfolg deutscher Unternehmen kommt dem ganzen Kontinent zugute: So schufen deutsche Firmen im Zuge ihrer 651 Investitionsprojekte im europäischen Ausland insgesamt knapp 48.000 Arbeitsplätze – fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Französische und britische Unternehmen tätigten hingegen nur 346 bzw. 335 Investitionen, die jeweils zu etwa 17.000 neuen Stellen führten.

Hauptinvestitionsziele deutscher Unternehmen waren im vergangenen Jahr Frankreich, Großbritannien und Polen. In Frankreich wurden 142 Projekte deutscher Firmen gezählt, ein Viertel mehr als 2015. In Großbritannien haben deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr — trotz des Brexit-Votums der Briten im Sommer — 94 Projekte angekündigt; dies entspricht einem Anstieg um 31 Prozent. Polen rangiert mit 47 Projekten auf dem dritten Rang — ein Anstieg um 47 Prozent.

„Europa profitiert derzeit erheblich von der Wirtschaftskraft Deutschlands und der Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen“, kommentiert Barth die Ergebnisse. „Die wirtschaftliche Erholung Europas dürfte in diesem Jahr zu einem weiter steigenden Engagement deutscher Unternehmen führen – und damit zu einem weiteren positiven Effekt bei der Beschäftigung“.

Überwiegend Lob für Standort Deutschland

Aus Investorensicht punktet der Standort Deutschland vor allem mit dem Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte, der Verkehrsinfrastruktur sowie mit dem stabilen politischen und rechtlichen Umfeld. Etwa vier von fünf Managern bewerten diese Standortfaktoren hierzulande als insgesamt attraktiv.

Allerdings schneidet Deutschland bei den meisten Kriterien in diesem Jahr etwas schlechter ab als im Vorjahr. So bewerteten 2016 noch 52 Prozent die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland als „sehr attraktiv“, in diesem Jahr liegt dieser Anteil nur noch bei 40 Prozent. In Bezug auf die Telekommunikationsinfrastruktur ist der Anteil der uneingeschränkt positiven Bewertungen von 48 auf 39 Prozent gesunken. Das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte in Deutschland wird in diesem Jahr nur noch von 41 Prozent der Befragten als „sehr attraktiv“ bewertet — nach 51 Prozent im Vorjahr.

Auch in der Gesamtschau hat sich das Urteil ausländischer Investoren über Deutschland im Vergleich zum Vorjahr leicht eingetrübt: Zwar loben aktuell sieben von zehn Unternehmen die deutsche Standortpolitik, jeder vierte Befragte bewertet sie sogar als uneingeschränkt investorenfreundlich. Im Vorjahr lag die Zustimmungsquote allerdings noch bei 80 Prozent.

Auffallend ist, dass Unternehmen, die in Deutschland bereits engagiert sind – und deren Urteil somit auf eigenen Erfahrungen basiert – ein deutlich positiveres Deutschlandbild haben als solche, die nicht in der Bundesrepublik aktiv sind: Während erstere Gruppe zu 79 Prozent positiv über den Standort urteilt, liegt die Zustimmungsquote bei Unternehmen ohne Geschäftstätigkeit in Deutschland gerade einmal bei 57 Prozent.

Weiterentwicklung vom Industrie- zum Digitalstandort nötig

Internationale Investoren sehen Deutschland grundsätzlich auf einem guten Weg – ihrer Einschätzung nach wird sich die Standortattraktivität in den kommenden Jahren weiter verbessern: 43 Prozent der befragten Manager rechnen mit einer Verbesserung der Attraktivität Deutschlands in den kommenden drei Jahren, gerade einmal sechs Prozent gehen von einer Verschlechterung aus.

In Bezug auf die Möglichkeit, in Deutschland digitale Geschäftsmodelle voranzutreiben, äußern sich zwar 70 Prozent der befragten Manager grundsätzlich positiv, jedoch zeigen sich nur 28 Prozent uneingeschränkt überzeugt – ein Ergebnis, das zu denken gibt, so Barth: „Deutschlands zukünftiger Wohlstand, die Attraktivität als Investitionsstandort und die künftige Beschäftigungslage werden davon abhängen, ob die hiesige Wirtschaft – und vor allem die deutschen Leitbranchen, der Automobil- und der Maschinenbau – ihre Wettbewerbsfähigkeit auch im digitalen Zeitalter behaupten kann“.

Deutschland stehe vor der Aufgabe, die Digitalisierung der Wirtschaft und den Übergang vom weltweit führenden Industrie- und Hochtechnologiestandort zu einem weltweit führenden Digitalstandort zu schaffen, betont Lorentz: „Immer größere Teile der Produktion werden digitalisiert, klassische Industriearbeitsplätze könnten wegfallen, neue, IT-nahe Arbeitsplätze werden entstehen. Die Herausforderungen für Deutschland sind enorm – für die Infrastruktur, die Bildungspolitik und die Strategien der deutschen Unternehmen. Aufseiten ausländischer Investoren sehen wir derzeit noch eine gewisse Skepsis, ob Deutschland tatsächlich den hoch gesteckten Erwartungen entsprechen kann. Denn bislang bestimmen in puncto Digitalisierung andere Länder das Tempo, allen voran die Vereinigten Staaten und China“.

(Pressemitteilung EY vom 23.05.2017)


Redaktion

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