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04.12.2017

Übernahmefieber in den Industrie-4.0-Branchen

Autokonzerne auf der Überholspur

Die Digitalisierung und der damit einhergehende Trend zu Industrie-4.0-Lösungen entwickeln sich zu einem wichtigen Treiber des weltweiten M&A-Geschehens. Vor allem bei Industrie- und IT-Unternehmen steigt der Appetit auf Unternehmensübernahmen. Dabei geraten deutsche Unternehmen aus Industrie 4.0-relevanten Bereichen in den Fokus internationaler Investoren.

Die Digitalisierung und der damit einhergehende Trend zu Industrie-4.0-Lösungen entwickeln sich zu einem wichtigen Treiber des weltweiten M&A-Geschehens. Vor allem bei Industrie- und IT-Unternehmen steigt der Appetit auf Unternehmensübernahmen. Dabei geraten deutsche Unternehmen aus Industrie 4.0-relevanten Bereichen in den Fokus internationaler Investoren.

Im ersten Halbjahr 2017 fanden weltweit 2.595 Unternehmenstransaktionen in den für Industrie 4.0 relevanten Branchen Maschinenbau, High Tech, Produktion und IT statt – das waren sechs Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei knapp jeder dritten Transaktion wurden Unternehmen durch ausländische Investoren erworben. Im Fokus stehen dabei US-amerikanische und deutsche Unternehmen: So wurden 196 US-amerikanische und 113 deutsche Unternehmen aus den obigen Branchen von ausländischen Investoren gekauft. Großbritannien und Kanada belegten im ersten Halbjahr mit 72 bzw. 48 Transaktionen die Plätze drei und vier im Ranking der wichtigsten Zielländer.

Während allerdings unterm Strich deutlich mehr US-Unternehmen im Ausland zukauften als umgekehrt aus dem Ausland aufgekauft wurden, ergibt sich für den Industrie-4.0-Standort Deutschland ein negativer Saldo: So haben im ersten Halbjahr 82 deutsche Unternehmen Akquisitionen im Ausland durchgeführt – im selben Zeitraum wurden allerdings 113 deutsche Unternehmen von ausländischen Investoren übernommen. Für die vergangenen drei Jahre summieren sich die Übernahmen deutscher Unternehmen im Ausland auf 454. Diesen Transaktionen stehen 596 von ausländischen Konzernen übernommene deutsche Unternehmen gegenüber.

Damit liegt der negative Saldo – bezogen auf die vergangenen drei Jahre – für den Standort Deutschland bei 142 Transaktionen. Für kein anderes Land der Welt ergibt sich ein derart großes Ungleichgewicht zwischen Aufkäufen durch ausländische Unternehmen und Zukäufen im Ausland. Großbritannien folgt mit 126 Transaktionen vor Italien mit einem negativen Saldo von 118 Transaktionen. Umgekehrt ergibt sich für die Standorte USA, Japan und China ein deutlich positiver Saldo von 438, 199 bzw. 147 Transaktionen.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die den weltweiten Transaktionsmarkt in den Industrie-4.0-Branchen Maschinenbau, High Tech, Produktion und IT im Zeitraum Mitte 2014 bis Mitte 2017 untersucht.

„Die Digitalisierung hat die Industrie längst voll erfasst und entwickelt sich zu einem der wichtigsten Treiber auf dem M&A-Markt“, beobachtet Dr. Dierk Buß, Partner bei EY und Autor der Studie. „Während etablierte Industriekonzerne versuchen, zusätzliche IT-Kompetenzen zuzukaufen, übernehmen auf der anderen Seite Technologiekonzerne verstärkt Industrieunternehmen, um sich Know-how in den Bereichen Produktion sowie Forschung und Entwicklung zu sichern. Ziel vieler solcher Transaktionen ist, es in der digitalisierten Produktion der Zukunft – Stichwort Industrie 4.0 – eine wichtige Rolle zu spielen. Viele Unternehmen – vor allem aus endkundennahen Bereichen – haben inzwischen große Digitalisierungsprogramme aufgelegt, und zunehmend folgen auch Unternehmen aus nachgelagerten Wertschöpfungsstufen. Zwar ist eine organische Transformation grundsätzlich sinnvoll, aber angesichts der Geschwindigkeit des technologischen Wandel sind Zukäufe häufig unerlässlich, um Technologien und Köpfe zu sichern und am Puls der neuen Wertschöpfung zu bleiben.“

Ebenfalls in diesem Kontext sehr aktiv sind Finanzinvestoren, die dabei sind, Unternehmen aus verschiedenen Segmenten zusammenzuführen und zu schlagkräftigen Anbietern neuer digitaler Industrielösungen zu formen. Immerhin jede fünfte Transaktion weltweit geht derzeit auf das Konto der Private Equity-Häuser. „Die Etablierung von Industrie 4.0-Lösungen wird den klassischen Produktionsprozess revolutionieren – das ist allen beteiligten Playern klar“, beobachtet Michael Kunz, Leiter des Private Equity Geschäftes in Deutschland, Schweiz und Österreich. „Daher sehen wir derzeit einen Trend zu branchenübergreifenden Unternehmenstransaktionen, die es in früheren Jahren nur selten gab. Hier wachsen Branchen zusammen, zukünftige Chancen werden verteilt, neue Player werden entstehen.“

Fündig werden die akquisitionswilligen Investoren vor allem in den USA und Deutschland: Knapp jede vierte grenzüberschreitende Akquisition in den vier analysierten Branchen hatte in den vergangenen drei Jahren ein US-amerikanisches Unternehmen zum Ziel, bei 14 Prozent der Transaktion wurde ein deutsches Unternehmen gekauft.

Standort Deutschland für ausländische Investoren attraktiv

In allen vier untersuchten Branchen zählen deutsche Unternehmen zu den Top 3 Investitionszielen weltweit. So wurden im Maschinenbau in den vergangenen drei Jahren 266 deutsche Unternehmen von ausländischen Investoren gekauft – nur in den USA wurden mehr Unternehmen von ausländischen Investoren übernommen (292).

EY-Partner Kunz wertet die hohe Zahl an Übernahmen deutscher Unternehmen durch ausländische Käufer als Bestätigung für die Attraktivität deutschen Industrie-Know-hows: „Made in Germany hat in der Industrie nach wie vor einen hervorragenden Ruf. Deutsche Unternehmen verfügen vielfach über genau die Schlüsseltechnologien, die die Basis für Industrie-4.0-Anwendungen sind. Sie sind damit ein hochgradig attraktives Investitionsziel.“

Dass allerdings die Zahl der Zukäufe deutscher Maschinenbauer im Ausland mit 182 so deutlich – um knapp ein Drittel – niedriger liegt als die Zahl der von ausländischen Käufern erworbenen deutschen Maschinenbauer, gebe zu denken, so Kunz: „Die deutschen Unternehmen aus den Industrie-4.0-Branchen sind am Transaktionsmarkt durchaus aktiv und stellen immerhin die weltweit zweitaktivste Käufernation bei grenzüberschreitenden Transaktionen. Es fällt aber auf, dass in allen Teilsegmenten die Aufkäufe durch ausländische Investoren deutlich überwiegen, dass also unterm Strich Unternehmen aus anderen Regionen mehr Zukäufe in Deutschland durchführen als umgekehrt. Industriepolitisch ist Industrie 4.0 gerade für den Standort Deutschland eines der wichtigsten Zukunftsthemen – da wäre eine noch aktivere Rolle bei der Neuformung und Umgestaltung der Branche wünschenswert – auch um Diskussionen über einen etwaigen Ausverkauf deutschen Know Hows gar nicht erst aufkommen zu lassen.“

USA und asiatische Unternehmen setzen auf Expansion

Die Analyse des weltweiten Transaktionsgeschäfts in den vergangenen drei Jahren zeigt deutlich, wie stark einige Länder in den Industrie-4.0-Branchen derzeit eine expansive Strategie verfolgen:

„Mit ihrer sehr aktiven Investitionsstrategie bauen derzeit gerade US-amerikanische Unternehmen ihre Vorherrschaft in der digitalisierten Wirtschaft aus“, beobachtet Buß. „Vor allem in der IT-Branche sind US-Konzerne derzeit die weltweit mit Abstand aktivsten Investoren. Und asiatische Unternehmen werden eher selten gekauft, treten aber in großem Stil im Ausland als Investor auf.“

Angesichts der im kommenden Jahrzehnt anstehenden massiven Umgestaltung der Industrie hält Buß das erhebliche Engagement US-amerikanischer und asiatischer Investoren und die daraus resultierende Stärkung dieser Standorte für höchst relevant: „Im IT-Bereich sind US-amerikanische und asiatische Firmen derzeit weltweit führend – in den Branchen der sogenannten „old economy“ – also in den traditionellen Industriebranchen – gelten hingegen vielfach europäische Unternehmen als tonangebend. Von den europäischen Industriestandorten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweiz, Italien und Niederlande weisen allerdings nur die Schweiz und – in geringerem Umfang – Frankreich einen positiven Saldo bei grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen auf.“

Das oben skizzierte Ungleichgewicht könnte sich zu einem Standortnachteil Europas entwickeln, warnt Buß: „Die Digitalisierung wird nicht nur den Alltag der Menschen, sondern auch viele Branchen revolutionieren. Wir befinden uns mitten in einer umwälzenden Entwicklung – und nordamerikanische und asiatische Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren im Technologiesegment zu dominierenden Playern entwickelt. Wir müssen aufpassen, dass die europäische Wirtschaft von der anstehenden digitalen Revolution in der Industrie nicht auf dem falschen Fuß erwischt wird.“

Finanzinvestoren sorgen für jede fünfte Transaktion

Weltweit wurde jede fünfte Transaktion in den vergangenen Jahren von Finanzinvestoren durchgeführt, die sich damit zu einem wichtigen Treiber der Neugestaltung und Zusammenführung der Branchen entwickelt haben. Auch in Deutschland sind Private-Equity-Häuser aktiv – hier geht ebenfalls jede fünfte Transaktion auf das Konto eines Finanzinvestors. „Die Buy-and-Build-Strategie eines Finanzinvestors ist wie geschaffen für die Situation in den Industrie-4.0-Branchen. Hier müssen neue Player mit umfassendem technologischen und industriellen Know how entstehen, die diesen Prozess aktiv vorantreiben können“, betont Kunz.

Kunz ergänzt: „Für Finanzinvestoren eröffnen sich durch die Digitalisierung neue Potentiale – zum einen stellt die Digitalisierung einen neuen Werthebel dar, zum anderen entstehen neue Investitionsmöglichkeiten mit Finanzierungsbedarf. Die Herausforderung dabei ist jedoch, dass die „neuen“ Industrien gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und vielerorts noch Erfahrungen, vor allem im Zusammenspiel von klassischem Engineering und IT, aufgebaut werden müssen. Hier haben die USA einen „Heimvorteil“, während der Standort Deutschland durch die gewachsenen Industrie-Cluster und das bestehende Knowhow punkten können.“

(Pressemitteilung EY vom 29.11.2017)


Redaktion

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