• Home
  • /
  • Meldungen
  • /
  • Unternehmensanleihen: Die neue EZB-Einkaufstour ist angelaufen

09.06.2016

Unternehmensanleihen: Die neue EZB-Einkaufstour ist angelaufen

Autokonzerne auf der Überholspur

Corporate Finance

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mit dem Kauf von Unternehmensanleihen begonnen, auch Anleihen von deutschen Konzernen sollen gekauft worden sein.

Nun geht die Europäische Zentralbank (EZB) auf Shoppingtour. Am 08.06.2016 hat die Notenbank laut Marktteilnehmern mit dem Kauf von Firmenanleihen begonnen. Erworben worden seien Titel des Versicherers Generali, des Telekomkonzerns Telefonica und von Versorgern wie der französischen Engie. Auch Anleihen von Siemens, RWE und Anheuser Busch InBev sollen laut Händlern auf dem Einkaufszettel gestanden haben.

Das Volumen einzelner Geschäfte liege zwischen 3 bis 5 Mio. €. Weitere Details wurden zunächst nicht bekannt. Die EZB selbst will dazu erst am 18.07.2016 Angaben machen. Der Kauf derartiger Schuldtitel soll dafür sorgen, dass die Anleihezinsen sinken. Unternehmen können sich dann günstiger finanzieren, was der Wirtschaft einen zusätzlichen Schub geben soll.

Notenbanken kaufen monatlich Anleihen im Wert von 80 Mrd. €

Beschlossen hat die EZB den Erwerb von Firmenanleihen auf ihrer Ratssitzung im März. Sie sind Teil ihres großen Wertpapier-Kaufprogramms das auf insgesamt 1,74 Billionen € angelegt ist und noch bis mindestens Ende März 2017 laufen soll. Monatlich kaufen die nationalen Notenbanken der Euro-Zone Anleihen im Wert von 80 Mrd. €. Neben der Bundesbank beteiligen sich die Zentralbanken Italiens, Frankreichs, Spaniens, Belgiens und Finnlands an den Firmenanleihen-Käufen, die von der EZB gesteuert werden.

Kritiker warnen vor Marktverzerrungen durch das Programm. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, spricht von einem „verzweifelten Akt“.

Sollte die EZB beim Kauf von Unternehmensanleihen zu stark aufs Gaspedal treten, könnte der Markt schnell austrocknen, meint David Kohl, Deutschland-Chefvolkswirt der Schweizer Bank Julius Bär. Privatanleger, die sich ebenfalls für solche Papiere interessieren, dürften in die Röhre schauen, denn der Markt für die Papiere ist insgesamt relativ klein. Sie müssen möglicherweise auf Angebote mit zweifelhafter Bonität ausweichen. „Damit wird der nächste Markt kaputt gemacht“, kritisiert Kohl. Für Anleger ist es wegen der extrem niedrigen Zinsen ohnehin schon schwierig, Anlagemöglichkeiten mit akzeptabler Rendite bei überschaubarem Risiko zu finden.

Renditen im Sinkflug

Bereits die Ankündigung des Programms im März hatte zu starken Marktreaktionen und einem Rückgang der Renditen geführt. Für Unternehmensanleihen mit einer guten Bonität kriegen Anleger schon jetzt oft weniger als ein Prozent Rendite. Besonders deutlich war diese Entwicklung in der Automobilbranche. „Im Autosektor klappten die Risikoaufschläge teilweise um fast 50% zusammen“, schildert Ulrich Kirschner von der Landesbank Helaba. Die Zinsaufschläge, die bei Firmenanleihen im Vergleich zu Staatsanleihen verlangt werden, brachen ein, ohne dass sich etwas an der Risikoeinschätzung für das betreffende Unternehmen geändert hatte.

Maximal wollen die Währungshüter bis zu 70% einer einzelnen Emission erwerben. Die Papiere müssen verschiedene Kriterien erfüllen. Gefordert sind Laufzeiten zwischen sechs Monaten und 30 Jahren sowie eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit. Ihre Bonitätsnote muss mindestens der Note „BBB-“ der Ratingagentur Standard & Poor’s entsprechen. Bankenanleihen sind ausgeschlossen.

„Zu diesem Zeitpunkt ist sich die EZB wahrscheinlich nicht sicher, wie viel sie zu kaufen in der Lage ist“, sagte Deutsche-Bank-Analyst Michael Jezek. Er rechnet mit Rekordemissionen der Unternehmen in Höhe von mehr als 100 Mrd. € in diesem Jahr. Die Hälfte davon stamme von Firmen aus der Euro-Zone, die damit auch auf die EZB reagierten.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Regeln für den Kauf der Unternehmensanleihen lückenhaft seien. Die Notenbank lasse eine zentrale Frage unbeantwortet: Was passiert eigentlich, wenn eine Firma, deren Schuldpapiere die EZB gekauft hat, in finanzielle Schieflage gerät oder von Ratingagenturen herabgestuft wird?

Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Eine Gruppe von Professoren und Unternehmern unter Führung des Berliner Finanzwissenschaftlers Markus Kerber hat Mitte Mai beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingereicht – unter anderem wegen des Kaufs von Unternehmensanleihen. Der Vorwurf: Die EZB überschreite ihr Mandat. Bis zu einer Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts dürfte die Notenbank allerdings schon etliche Milliarden in Firmenanleihen gesteckt haben.

(Quelle: WirtschaftsWoche Online vom 09.06.2016)


Redaktion

Weitere Meldungen


Idee, Glühbirne, Forschung, Entwicklung
Meldung

©ra2 studio/fotolia.com

18.04.2024

US-Konzerne erhöhen Forschungsausgaben

Trotz stagnierender Umsätze und sinkender Gewinne: Die innovativsten Top-Konzerne der Welt investieren weiterhin stark in Forschung und Entwicklung (F&E). So sind die Forschungs- und Entwicklungsbudgets der 500 Unternehmen weltweit mit den höchsten F&E-Ausgaben im Jahr 2023 um insgesamt 12 % gestiegen – obwohl der Umsatz nur um 2 % zulegte und der Gesamtgewinn sogar um 9 % schrumpfte.

US-Konzerne erhöhen Forschungsausgaben
Investition, Geld, Investor, Vermögen, Kapital
Meldung

pitinan/123rf.com

18.04.2024

Unternehmen planen weniger Investitionen für 2024

Die Unternehmen in Deutschland haben ihre Investitionsvorhaben für das laufende Jahr nach unten korrigiert. Die ifo Investitionserwartungen fielen auf -0,1 Punkte im März, nach +1,2 Punkten im November. „Die globale Nachfrage nach Investitions- und Vorleistungsgütern bleibt schwach und wirtschaftspolitische Unsicherheiten bestehen weiter. Viele Unternehmen verschieben daher ihre Investitionsentscheidungen“, sagt Lara Zarges, Konjunkturexpertin am ifo Institut.

Unternehmen planen weniger Investitionen für 2024
Europa, Europaflagge, EU, Parlament, Kommission
Meldung

©Grecaud Paul/fotolia.com

17.04.2024

EU-Binnenmarkt ist der wichtigste Auslandsmarkt

Der europäische Binnenmarkt besitzt für die mittelständischen Industrieunternehmen sowohl als Beschaffungs- als auch Absatzmarkt von allen Auslandsmärkten die höchste Relevanz, gefolgt von den Märkten in den anderen europäischen Ländern und in China. Dies zeigte in 2023 eine IfM-Befragung von über 1.800 Führungskräften im industriellen Mittelstand. EU-Binnenmarkt bietet viele Vorteile Die Unternehmen profitieren sowohl von der

EU-Binnenmarkt ist der wichtigste Auslandsmarkt
CORPORATE FINANCE - Die Erfolgsformel für Finanzprofis

Haben wir Ihr Interesse für CORPORATE FINANCE geweckt?

Sichern Sie sich das CORPORATE FINANCE Gratis Paket: 1 Heft + Datenbank